Trauma und Somatisierung

Warum alte Kindheitstraumata die Gesundheit und das Verhalten heute beeinflussen

Negative Erlebnisse in der Kindheit (engl: adverse childhood experiences, ACE) können zu einem seelischen Trauma führen. Wenn dieses Trauma nicht verarbeitet wird, kann es im weiteren Leben zu einer Somatisierung kommen.

Somatisierung bedeutet, dass sich psychische Probleme oder innerer Stress in Form von körperlichen Symptomen äußern. Typisch sind z.B. chronische Schmerzen, Verdauungsbeschwerden oder Müdigkeit ohne erkennbare organische Ursache.

Der Zusammenhang zwischen unverarbeitetem Trauma und Somatisierung lässt sich durch ACE erklären:

  • Traumatische Kindheitserlebnisse wie Missbrauch oder Vernachlässigung lösen extremen, langanhaltenden Stress aus.
  • Dieser Stress wird nicht psychisch verarbeitet, da das Kind dazu noch nicht in der Lage ist.
  • Stattdessen manifestiert sich der Stress im Körper, z.B. durch erhöhten Blutdruck, eine gestörte Stresshormonregulation oder Entzündungsprozesse.
  • Im späteren Leben kommt es dann durch diese körperlichen Manifestationen zu somatischen Symptomen wie Schmerzen oder Verdauungsproblemen.
  • Die ursprüngliche traumatische Erfahrung wird nicht mit den Symptomen in Verbindung gebracht.

Somatisierung ist also eine mögliche Langzeitfolge von unverarbeitetem Trauma in der Kindheit durch ACEs. Die seelische Verletzung drückt sich indirekt über körperliche Symptome aus. Eine wirksame Behandlung muss nicht die Symptome behandeln, sondern das zugrundeliegende Trauma adressieren.

Zum Beispiel: ACE und Diabetes

Es gibt mehrere Studien, die einen Zusammenhang zwischen negativen Erfahrungen in der Kindheit (ACEs) und einem erhöhten Diabetes-Risiko zeigen:

  • Eine große Studie mit über 15.000 Erwachsenen fand heraus, dass Personen mit mindestens 3 ACEs ein um 30% erhöhtes Risiko für Typ-2-Diabetes hatten im Vergleich zu Personen ohne ACEs. (Studie von 2010, Felitti et al)
  • Eine Meta-Analyse von 13 Studien mit über 112.000 Teilnehmern ergab, dass psychologischer Stress in der Kindheit das Risiko für Typ-2-Diabetes im Erwachsenenalter um 32% erhöhte. (Studie von 1970, Hughes et al, Diabetes Reserach and Clinical Practice)
  • Verschiedene Studien zeigen, dass Traumata und Stress in der Kindheit zu chronischen Entzündungen, Stoffwechselveränderungen und einer erhöhten Cortisolausschüttung führen, welche alle das Diabetes-Risiko erhöhen.
  • Mögliche Mechanismen sind u.a. eine erhöhte Insulinresistenz, Veränderungen in der fettfreien Körpermasse und im Fettstoffwechsel durch chronischen Stress.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass verschiedene Studien belegen, dass negative Erfahrungen in der Kindheit das Risiko für die Entwicklung von Diabetes im Erwachsenenalter deutlich erhöhen können. Der genaue Mechanismus wird noch erforscht, scheint aber mit Langzeitfolgen von chronischem Stress zusammenzuhängen.

TED Vortrag von der Kinderärztin Nadine Burke Harris:
Zusammenhang zwischen Kindheitstrauma und Somatisierungsstörungen
(mit deutschen Untertiteln)

Zusammenfassung
In den 1990er Jahren entdeckten das CDC und Kaiser Permanente eine Anomalie, die das Risiko für sieben der zehn häufigsten Todesursachen in den USA dramatisch erhöht. In hohen Dosen beeinflusst sie die Gehirnentwicklung, das Immunsystem und das Hormonsystem sowie die Art und Weise, wie unsere DNA gelesen und transkribiert wird. Menschen, die in sehr hohem Maße von dieser Anomalie betroffen sind, haben ein dreifach erhöhtes Risikos für Herzkrankheiten, Lungenkrebs und eine 20-jährige Verkürzung der Lebenserwartung.

Die Anomalie, von der ich spreche, ist keine Chemikalie, sondern die Kindheitstrauma. Ich spreche von Missbrauch, Vernachlässigung oder mit einem psychisch kranken oder suchtabhängigen Elternteil aufzuwachsen. Je mehr solcher negativen Kindheitserfahrungen eine Person macht, desto schwerwiegender sind die gesundheitlichen Folgen.

Die ACE-Studie (Adverse Childhood Experiences) untersuchte diesen Zusammenhang zwischen negativen Kindheitserfahrungen und gesundheitlichen Folgen. Sie fand heraus, dass ACE sehr verbreitet sind und dass es eine Dosis-Wirkungs-Beziehung gibt – je mehr ACEs, desto schwerwiegender die gesundheitlichen Folgen.

Sie begann, bei ihren jungen Patienten routinemäßig nach ACE zu screenen. Für Patienten mit hohen ACE-Werten haben wir ein multidisziplinäres Team, das die Folgen mildert und Symptome behandelt. Sie klären auch Eltern über die Folgen von ACE auf und passen die Behandlung von Asthma und Diabetes entsprechend an.

Sie dachte, wenn Menschen von ACE erfahren, würden alle sofort handeln. Aber dem war nicht so. Laut dem ehemaligen Präsidenten der American Academy of Pediatrics sind ACE eine der zwei größten ungelösten öffentlichen Gesundheitsbedrohungen.

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